Es sind die seltenen Erfahrungen, wenn vom Erfolg gekrönt, die das Leben lebenswerter machen. In diesem Fall ist es die erkämpfte Mietzinsreduktion. Das Ende mit Freude kam in Gestalt einer aussergerichtlichen Einigung. Mietzins wunschgemäss angepasst, die Vermieterin übernimmt fast alle Kosten. Eine Zusammenfassung, womit ein Mieter rechnen muss, wenn ihm die Verwaltung die fällige Mietzinsreduktion verweigert.
Worum gehts
Ende März habe ich eine Mietzinsreduktion beantragt, die Verwaltung hat sie mir verweigert mit einem Hinweis auf «allgemeine Kostensteigerung». Das habe ich nicht akzeptiert. Im Schlichtungsverfahren kamen wir zu keiner Lösung. Daraufhin reichte ich Klage ein, und die Sache landete bei den Anwälten. Nach aussergerichtlichem Verhandeln erreichte ich mein Ziel: Volle Mietzinsreduktion.→ Teil 1: Allgemeine Kostensteigerung: Einsprache erheben
→ Teil 2: Die faulen Tricks
→ Teil 3: Der Vermieterin schwimmen die Felle eins nach dem andern davon
Ende gut, alles gut. Und weil man anständig ist, macht man das Ende ein bisschen langweiliger, aber besser. Mein rein finanzieller Aufwand hat sich auf rund 280 Franken beschränkt. Das waren drei eingeschriebene Briefe, drei Zugfahrten und 200 Franken Verzicht.
Es war der letzte Vorschlag des Gegneranwalts: Du bekommst die volle Mietzinsreduktion ab Juli, und wir übernehmen alle Kosten ausser 200 Franken. Da sagte ich zu.
Ich hätte auch sagen können: Friss und stirb, wir gehen vor Gericht. Aber wenn nach dem aussergerichtlichen Hickhack ein anständiges Friedensangebot ohne Tricks kommt, dann findet man das in Ordnung.
«Es ist wirklich das allerbeste Angebot, das ich aushandeln konnte», hat mir meine Anwältin mitgeteilt. Kann sein. Ich glaube das nicht. Aber ich hatte bereits im November signalisiert, dass ich es okay finde, wenn es mir nur ein paar hundert Franken kosten würde. Also konnte ich nicht Nein sagen. Zudem spare ich mir weiteren zeitlichen Aufwand und ein paar Zugfahrten.
Und wenn ich die Wohnung noch zehn Jahre behalte – diese Wohnung gebe ich nie mehr her – sind das schon 4128 Franken Gewinn. Wenn sich das nicht rechnet!
Eigentlich schade, ging der Fall nicht vors Gericht
Der Bluff, bzw. Widerstand, hat der Immo-Besitzerin insgesamt rund 3000 Franken gekostet, eine Menge Aufwand eingebracht und sonst genau nichts. Das ist eine Verschwendung, von der letztlich nur ein paar Anwälte profitiert haben. Wäre die Besitzerin vor Gericht gegangen, wäre es nur aufwändiger und teurer gewesen. So hat die Vernunft gesiegt, was auch kaum anders zu erwarten war.
Der Wermutstropfen sind nicht die 200 Franken Kosten. Die werden schon gedeckt mit der Rückerstattung der sechs Monate überbezahlter Miete, weil die Mietzinsreduktion rückwirkend ab 1. Juli gilt. Das sind fast genau 200 Franken. Der wahre Wermutstropfen ist, leider nicht vor Gericht gehen zu dürfen. Diese Erfahrung wäre zweifelsohne bereichernd gewesen, und ich hätte wahrscheinlich auch die 200 Franken gespart.
Acht Monate Verhandlungen für das eigene Recht
Alles in allem dauerte der ganze Vorgang etwas über acht Monate vom Tag der Meldung, dass in der Schweiz der Referenzzinssatz gefallen ist, bis zur erfolgten Mietzinsreduktion. Auf dem langen Weg muss man erstens sicher keine Angst haben, dieses Recht vollständig einzufordern, zweitens keine Angst bekommen vor dem Aufwand, drittens nicht schwach werden bei Kompromissvorschlägen, und viertens gegenüber allen – Schlichtungsbehörde, Verwaltung, Gegneranwalt, sogar gegenüber der eigenen Anwältin – bis zuletzt auf die volle Mietzinsreduktion beharren. Man kann nur selber verlieren, indem man unnötigerweise nachgibt. Vor allen Dingen muss man vor Augen behalten: Es ist nicht dein Fehler und nicht deine Schuld, dass du klagen musst, und darum muss die beklagte Partei alle Kosten übernehmen. Am Ende, ja, aber definitiv. Die drohenden Kosten dürfen also kein Grund sein, um nachzugeben.
Auch eine Erwähnung wert: Du bekommst deine Mietzinsreduktion und behältst deine Wohnung. Trotz Streit – vor allem, wenn man sich höflich-distanziert und ohne Vorwürfe miteinander unterhält – ist es nicht ein Kampf gegeneinander, sondern ein Kampf um Geld. Du streitest um die Reduktion, die Gegner streiten um den alten Mietzins. Da ist nichts persönlich auszutragen. Ausserdem: Wenn sie dich aus der Wohnung schmeissen wollen, haben sie nichts davon, weil die Vermieterin den Mietzins danach nicht einfach ohne weiteres wieder höher setzen kann.
Die Schritte bis zur eingeklagten Mietzinsreduktion
Hier noch eine kleine Zusammenfassung von zehn Schritten vom Antrag zur Mietzinssenkung bis zum Schluss. Sie soll einerseits helfen, sich ein Bild vom ganzen Pilgerweg zu machen, aber auch vor kleinen Gefahren zu warnen, wie man einen eigentlich sicheren Sieg verspielen könnte. Darum habe ich die einzelnen Schritte mit persönlichen Erfahrungen ergänzt.
1. Schreibe per Einschreiben deiner Verwaltung, dass du die Mietzinsreduktion beanspruchen willst
Die Antwort, die ich bekam, war unvollständig. Die Verwaltung begnügte sich, eine einfache und undurchsichtige Erklärung wiederholt abzugeben. Sie sagte: «Wir haben gerechnet, und leider sind die allgemeinen Kosten gestiegen, darum bleibt der Mietzins beim Alten.»
2. Frage nach der Offenlegung der genauen Begründung
Ab deinem Antrag nach Mietzinsreduktion startet eine Frist von 30 Tagen für beide Seiten, um sich auf die Mietzinsreduktion zu einigen.
Die Verwaltung meiner Wohnung antwortete früh mit einem Nein.
Immer noch innerhalb der 30 Tage seit dem ersten Brief musst du die Erklärung einfordern und, falls du keine oder keine zufriedenstellende bekommst, ablehnen.
Ich hakte mehrmals nach, man solle mir die Begründung detailliert offenlegen, mit genauen Zahlen. Da wurde ich mehrmals abgewimmelt. Lass dich nicht abspeisen mit ungenauen Antworten: Du brauchst ihre genaue Rechnung des neuen Mietzinses (siehe Bild). Darin stand dann diese «Allgemeine Kostensteigerung». Immer noch ohne genaue Zahlen.
3. Schreibe per Einschreiben deiner Verwaltung, du akzeptierst die Begründung nicht
Nun musst du der Vermieterin mitteilen, du akzeptierst das nicht und wirst den rechtlichen Weg einschlagen. Die Vermieterin hat eine letzte Gelegenheit, doch einzulenken.
Meine Verwaltung reagierte daraufhin mit einer erneuten Verweigerung, mit der Behauptung, es sei rechtlich korrekt. Das ist gelogen. Da gibt es nur noch den rechtlichen Weg. Dafür hat er, je nach Kanton, mehrere Stufen vorgesehen. Die erste Stufe ist:
4. Rufe die Schlichtungsbehörde rechtzeitig zur Hilfe
In den meisten Kantonen ist für einen solchen Fall die kostenlose Schlichtungsbehörde für Mietstreitigkeiten vorgesehen. Ihr Zweck ist, unnötige Gerichtskosten zu verhindern, indem eine Einigung erzielt würde. Du schickst spätestens 30 Tage nach dem ersten Nein deiner Verwaltung der Schlichtungsbehörde einen Brief mit der Bitte um eine Verhandlung. Du bekommst dann ein Aufgebot.
5. Schlichtungsverhandlung: Lass dich nicht verunsichern
An der Schlichtungsverhandlung triffst du auf die Gegnerin, die Vorsitzende, die Protokollantin, eine Gratis-Beraterin auf deiner Seite und ein Berater auf Seite der Vermieterin. Sechs Personen. Und es spricht die Vorsitzende ganz viel, und der Berater auf Seiten der Vermieterin spricht auch sehr viel. Das passive Verhalten deiner Beraterin und das fast totale Schweigen deiner Gegnerin können dich irreführen.
Das Wichtigste:
Behalte dein Ziel vor Augen: Dein gesetzliches, faires Recht auf die volle Mietzinsreduktion. Sei unversöhnlich, verhandle nicht, aber bleibe höflich.
Dir wird der Vermieter-Berater ein bisschen Angst machen und dann die Vorteile einer gütlichen Halbe-Halbe-Einigung schmackhaft machen. Die Vorsitzende wird neutral seinen Vorschlag notieren. Das heisst nicht, dass sie den Vorschlag gut oder korrekt findet. Ihr Ziel ist: So schnell wie möglich den Fall formell abschliessen. Behalte dein Ziel vor Augen: Dein gesetzliches, faires Recht auf die volle Mietzinsreduktion.
6. Reiche deine Klage rechtzeitig ein
Wenn die Schlichtungsverhandlung ohne Einigung endet, dann stellt dir die Schlichtungsbehörde eine Klageerlaubnis aus. Dies ist dann der zweite Schritt der ganzen Prozedur.
Du hast im Normalfall 30 Tage Zeit, um eine Klage einzureichen. Auf der Klageerlaubnis steht, an welches Gericht du die Klage einreichen musst. Die Klage selber darf ganz einfach sein und muss keine besonderen Standards erfüllen. Schreib hin: «Ich will Mietzinsreduktion wegen des tieferen Referenzzinsatzes, die Verwaltung lehnt das ab, und das akzeptiere ich nicht.» Viel mehr braucht es nicht.
7. Ruf einen Anwalt an, den dir der Mieterverband empfiehlt
Das Gericht, wo du die Klage eingereicht hast, eröffnet den Fall und fordert von dir Details für deine Klage. Jetzt brauchst du einen Anwalt. Frag den Mieterverband, wen sie dir empfehlen.
8. Kläre mit deinem Anwalt dein Ziel
Pass auf: Es gibt Anwälte, die es sich einfach machen wollen und auf einen Kompromiss hin arbeiten. Vielleicht sagt dir ein Anwalt, ‹es kann sein, dass die Verwaltung gewisse Kosten geltend machen kann›, oder ‹der Richter wird nicht erfreut sein›. Anwälte sind geübt im Verunsichern, Bluffen und Verhandeln. Auch dein eigener Anwalt: Auch der hat eigene persönliche Interessen, die deinen entgegenwirken können. Sei stark und bleibe beharrlich. Mach das deinem Anwalt klar und deutlich: Volle Mietzinsreduktion.
9. Lass dich bei der aussergerichtlichen Verhandlung nicht über den Tisch ziehen
Nach einer Weile wird sich ein Anwalt der Gegnerseite bei deiner Anwältin melden. Sein Ziel ist, in einer aussergerichtlichen Verhandlung um das bestmögliche Resultat zu feilschen. Achtung: Das bestmögliche Resultat aus der Sicht seiner Mandantin, nicht aus deiner Sicht. Dein bestmögliches Resultat bleibt weiterhin das, was dir wirklich zusteht: Die volle Mietzinsreduktion, ohne Kosten.
Ich musste dies beiden Seiten, meiner Anwältin und der Gegnerin, zweimal wieder deutlich machen: Volle Mietzinsreduktion ab Juli, ihr tragt die Kosten.
10. Akzeptiere nur eine Lösung, die zu mindestens 95% deinem Anliegen entspricht
Die Gegnerpartei ist sich schon lange im Klaren, dass sie vor Gericht voll und ganz verlieren wird. Ihr Interesse ist jetzt Schadensbegrenzung. Du musst ihr klar machen, dass du genau weisst, dass ihr Schaden maximal ist. Wenn sie den Gang vor Gericht verhindern will, wird sie dir vollumfänglich Recht geben und die Kosten übernehmen. Vor Gericht passiert nämlich genau das, wobei die Kosten noch ein bisschen höher sein werden.
Hier endet meine Geschichte. Für andere könnte danach der dritte Schritt des rechtlichen Pfades eintreten: das Aufgebot des Gerichts. Dies kann noch einige Monate auf sich warten lassen, zumal es sich bei Mietzinsreduktionen praktisch um Bagatellen handelt. Da schreit niemand danach. Weder die Öffentlichkeit, noch die Gerichte, noch die Hauseigentümer, noch die Wirtschaft. Nur du allein.