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Ein erster Schritt in Richtung Fairness

Der Vaterschaftsurlaub ist ein erster, winziger Schritt hin zur Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau. Die ist in der Verfassung festgehalten: Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen [...] des Geschlechts. Zwei Wochen sind der Anfang, aber eigentlich müssten es 14 Wochen sein, gleich lang wie der Mutterschaftsurlaub. Dieser erste Schritt von zwei Wochen kommt insbesondere Müttern zugute – aber auch jenen Betrieben, die schon vor dem Ja an der Urne einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen und mehr kannten.

Ja, die Schweizer Wirtschaft hat einen winzigen Anteil ihrer Wettbewerbsvorteile gegenüber der Nachbarländer und der EU eingebüsst. Sie muss zwei Wochen Vaterschaftsurlaub mitfinanzieren für ihre Arbeitnehmer, die Väter werden. Hört man manchen Arbeitgebern zu, klingt es etwa so, als ob ein Mann mit dem Vaterschaftsurlaub zwei Wochen Ferien zum Nichtstun geschenkt bekommt, nur weil seine Frau ein Kind auf die Welt gebracht hat. Dabei hat der Mann ja wirklich überhaupt nichts dafür geleistet. Und der Arbeitgeber, der nun wirklich überhaupt nichts dafür kann, muss da sogar noch mitbezahlen? Und den Produktivitätsverlust einfach so hinnehmen? Das ist natürlich unverständlich. Ja wo kämen wir denn hin, Helvetia?

Manche scheinen auch überhaupt nicht begriffen haben, dass der Vaterschaftsurlaub in erster Linie den Wettbewerbsnachteil der Frauen bekämpft, weil sie 14 Wochen fehlen «müssen», wenn das Kind da ist. Das wirkt sich für die Frauen in tiefere Löhne und weniger Karrierechancen aus. Wenn du die Frauen, und damit die Hälfte deiner arbeitswilligen Bevölkerung diskriminierst, schadest du der Wirtschaft. Das, was du als Unternehmen in Form von zwei läppischen Wochen Vaterschaftsurlaub einzahlst, kommt mehrfach zurück. Vor allem kommt es damit zurück, dass sehr viele sehr gut gebildete und sehr fähige junge Frauen – es studieren mehr Frauen als Männer – eine bessere Chance haben, ihr Potenzial beruflich – im Dienst der Wirtschaft – auszuschöpfen. Das steigert die Wertschöpfung im Land, erhöht die Produktivität, stärkt die Volkswirtschaft – kurzum: Es zahlt sich aus. Und deswegen fallen vielleicht auch die Unternehmenssteuern um einen oder zwei Punkte, und das Geld für den Vaterschaftsurlaub ist wieder reingeholt.

In Österreich ist das Patriarchat auch nicht wirklich verschwunden, aber eine private Angelegenheit, und nicht vom Gesetz vorgegeben

Dann das Ausland. Die Schweiz verliert einen Vorteil gegenüber den umliegenden Ländern. Ich habe auch oft das umliegende Ausland zum Vergleich gezogen, aber aus der Perspektive des Arbeitnehmers. Das Ausland räumt der Familie wesentlich mehr Platz und Rechte ein. Das alles kostet diesen Staaten und ihrer Wirtschaft ein bisschen Geld. Österreich, als Beispiel, kennt eine Karenzzeit von bis zu zwei Jahren für beide Elternteile, die sich die einzelnen Eltern frei aufteilen können. Je länger die Karenzzeit, desto tiefer die monatlichen Zuschüsse des Staates – was natürlich auch fair ist. Die zwei Wochen Vaterschaftsurlaub in der reichen Schweiz sind dagegen ein Klacks. Und es ist ja nicht so, dass die Wirtschaft in Österreich chancenlos ist auf der Welt, oder das Land bankrott. Ausserdem: In Austria ist das Patriarchat auch nicht wirklich verschwunden, aber in der Wirtschaft ist das Patriarchat eine private Angelegenheit, und nicht eine vom Arbeitsgesetz unumstösslich vorgegebene Tatsache wie in der Schweiz.

Es sind nicht verlorene Wettbewerbsvorteile, sondern abgebaute Wettbewerbsnachteile

Der Vaterschaftsurlaub verringert nicht nur den Wettbewerbsvorteil der Männer gegenüber Frauen, und nicht nur das der Schweizer Unternehmen gegenüber denjenigen im Ausland. Er stützt auch diejenigen Betriebe, die schon vor der Abstimmung mindestens zwei Wochen Vaterschaftsurlaub kannten und immerhin etwas Kleines taten, um die Benachteiligung von Frauen und Familien zu verringern. Diese haben bisher alle Kosten allein getragen, was natürlich ihre Margen bzw. ihren Profit geschmälert hat. Mit dem Ja zum Vaterschaftsurlaub ändert sich das, zu ihren Gunsten. 

Der einzig faire Vaterschaftsurlaub wäre eigentlich bei 14 Wochen anzusiedeln, bzw. so lange wie der Mutterschaftsurlaub. Aber immerhin: zwei Wochen, und das gilt jetzt für alle Betriebe. Wenn ich an Österreich denke, wo der Vaterschaftsurlaub mindestens zwei Monate dauert, wenn die Eltern die Karenzzeit aufteilen wollen, sind wir immer noch in der patriarchalen Steinzeit. Darum sind diese zwei Wochen erst der Anfang, und es braucht in rascher Folge Fortschritte, weil wir in Sachen Gleichstellung eine Menge Zeit und einen riesigen Rückstand auf die umliegenden Länder aufzuholen haben.